2023-11-10 – Fussel Philipp, unser Togo Beauftragter

2023-11-10 – Start nach Berlin

Lange haben die Vorbereitungen gedauert. Und immer wieder wurden die Ergebnisse umgeworfen. Zuerst wurde sich Fussel Philipp nicht einig, wann er wo wie feiern möchte. Denn es ging ja auch unter anderem um seinen Geburtstag.

Relativ früh stand fest, dass am Samstag so etwas wie eine Stadtrundfahrt stattfinden sollte. Und am Sonntagmorgen ein Brunch.

Die Intension hinter dem Wunsch nach der Stadtrundfahrt ist, dass er nach drei Jahren Togo und Perma Togo in dieser Woche, die er hier sein wird, „sein altes Berlin“ mal wiedersehen möchte. Was es noch gibt, was sich geändert hat und was den Zahn der Zeit und die „Befreiung“ der DDR nicht überlebt hat. Auf diesen „Tagesordnungspunkt“ bin ich gespannt wie Bolle.

Das mit dem Brunch hört sich zwar einfach an – Tische reservieren und dann wie die Heuschrecken einfallen – aber stellt sich dann doch als recht schwierig dar. Die Locations „Alte Turnhalle“ und „Alte Brauerei“ scheiden leider aus wegen voll. Und das Hofbräu am Alex nimmt keine telefonischen Reservierungen so kurzfristig an. (Doch das kann Philipp dann im Rahmen der Stadtrundfahrt quasi im Vorbeigehen am Samstag klären).

Für mich liegt das Problem darin, dass ich einen bequemen, gut erreichbaren und sicheren Stellplatz zu allen diesen Events suche. Erst etwas östlich in den Gleisdreiecken am Rand der Umweltzone. Die einschlägigen Stellplatz-APP’s erklären vor allem zwei Dinge: 1) Es gibt in ganz Berlin wohl nur einen echten Stellplatz, 2) In zwei von zehn Kommentaren und Bewertungen wird vor allem von Beschädigungen und Umlackierungen auf den sonstigen „geeigneten Stellmöglichkeiten“ berichtet. Und darauf habe ich keinen Bock. Am Ende entscheide ich mich dann für die WoMo-Oase am S / U / R und Fernbahnhof Gesundbrunnen. Direkte Verbindung mit der U8 zum Alex und damit auch zum Hofbräu. Bei entsprechendem Wetter sind die vier Kilometer auch mit dem Rad leicht zu bewältigen, da auf der Brunnenstraße auch durchgängig Radwege vorhanden sind. Denn mit einem Zweirad, und dann noch unmotorisiert in Berlin unter zu sein, das habe ich mir schon 1989 gleich nach der Maueröffnung abgewöhnt.

Im Übrigen zeigt sich dann später auch, dass ich mit meiner Entscheidung völlig richtig liege. Direkt vor dem um- und nachts abgeschlossenen Stellplatz waren drei Reisebusse abgestellt. Am 10-ten noch sauber, gewaschen und in Originallackierung, einen Tag später mit einer gewissen Umlackierung versehen.

Und genau darauf hatte ich keinen Bock. Alles richtig gemacht!

So, nun zur eigentlichen Fahrt. Gegen 10:30 Uhr starte ich. Die ersten Staus erwarten mich dann auf der A2 bei Peine, gefolgt von Braunschweig, dann Abzweig Wolfsburg und dann bei zwischen Alleringersleben und Eilsleben. Der letzte nervt am meisten. Denn hier war auf unserer Fahrtrichtung gar nichts los. Auf der Gegenfahrbahn wurde ein LKW mit Kranwagen geborgen. Und auf unserer Seite blockierten mal wieder die Gaffer und Handyfotografierer den Verkehrsfluss. Naja, anschließend komme ich recht flüssig voran bis zum ICC am Ende der Avus durch. Dort fängt mich dann die Rushhour ein. Aber trotzdem bin ich gegen 16:00 Uhr auf dem Platz und kann mir, trotz Freitag sogar noch meinen Stellplatz auf der „Kriegsbaulücke“ aussuchen. Mit 30,00 €/Nacht nicht gerade billig, aber nur der Strom und die Duschen kosten extra. Das relativiert dann das Preisniveau doch merklich, denn beides brauche ich ja nicht. Der Platzwart am Abend – ein die angenehme Kommunikation suchender Serbe – erklärt mir alles. Keine Frage von mir ist ihm zu blöd um nicht drauf einzugehen. Und ich bekomme alle notwendigen Infos und Infomaterial um mich als Landei in der Hauptstadt zurecht zu finden.

So gehe ich im Anschluss nach dem Check In noch in die angrenzende Badstraße. Hier spricht keine(r) Deutsch. Es erinnert mich an Kreuzberg vor 1989: Lebendiges und quirliges Leben bei Einbruch der Dunkelheit.

Ich gönne mir noch einen Berliner – vom Berliner Eingeborenen Pfannkuchen genannt – mit Zuckerguss und Pflaumenmusfüllung vom türkischen (!) Bäcker. Und ja, die bekommen dieses Traditionsgebäck mindestens so gut hin wie seine Berliner/Deutschen Kollegen. Und ich brauche nur 0,75 € auf den Tresen legen. Bei uns zuhause wäre ich für den Preis nicht aus dem Laden rausgekommen. Da hätte ich mich für mindestens 1,20 € auslösen müssen.

Irgendwie steckt mir die Fahrt aber doch etwas in den Knochen und ich gehe recht zügig in die Heia. Der Wecker ist auf 8:30 Uhr gestellt.

2023-11-11 – Stadtrundfahrt

Um 11:00 Uhr Treffen an der Weltzeituhr am Alex. Das ist eine Zeit, mit der ich glänzend zurechtkomme. Auf dem U-Bahnhof Gesundbrunnen ziehe ich mir eine Tageskarte für die Tarifzonen A und B für 9,00 €. Jetzt könnte ich sogar noch meine mir nicht bekannten Kinder mitnehmen und bräuchte nichts zuzahlen. Das sind Preise, von denen wir in den alten Bundesländern im öffentlichen (Nah-) Verkehr nur träumen können.

Wie ich am Alex wieder das Tageslicht erblicke, habe ich ein Déjà-vus mit einer Ankunft mit dem Eurostar in Bahnhof London St. Pancras vor circa 20 Jahren. Irgendwie stehe ich nicht in einer, nicht in zwei und auch nicht in drei Baustellen. Ich habe aufgehört zu zählen, als ich bemerke, dass neben den Baustellen, auf denen irgendwelche Spekulationsimmobilien hochgezogen werden, noch mindestens drei Weihnachtsmärkte im Aufbau hinzukommen. Ich muss mich komplett neu orientieren. Da helfen mir weder die (mittlerweile stark verblassten) Erinnerungen an die Klassenfahrten während meiner Buskollektiv Zeit noch die viereinhalb Jahre, in denen ich in Berlin wohnte und arbeitete, so richtig weiter. Ich schaffe es trotzdem die Weltzeituhr zu finden und überstehe die halbe Stunde bis Philipp ankommt ohne von einer Straßenbahn oder einem Schausteller- oder Liefer-LKW überfahren zu werden noch einem Selfiestick Angriff der vielen asiatischen Touristenhorden zum Opfer zu fallen.

Jetzt sind wir zu fünft und nicht mehr ganz so leicht nieder zu ringen. Und als dann noch ein Mitarbeiter von RTL (?!) vorbeikommt und elf frische und warme Pizzen anliefert sowie der angesagte Regen immer noch nicht hernieder geht, zeichnet sich ab, dass das Motto „Everyday is a good day“ auch für diesen Tag wahr werden wird.

Philipp möchte seine Stadt Berlin sich nach drei (?) Jahren Abstinenz mit all ihren Veränderungen anschauen. Da ist es für mich leicht, mich einfach anzuschließen, nicht dazwischen zu reden, wenn der nächste Bus, Tram, U- oder S-Bahn ausgewürfelt wird. Denn ich bin ja, bis auf drei einzelne Tage und stundenweise bei meinen Liefertouren für unsere Heidschnuckenschäferei, seit 1991 nicht mehr in der Hauptstadt gewesen.

Philipp kann den Veränderungen seiner Stadt einiges Positives abgewinnen. Ich würde es unter „Es geht voran“ einordnen – wenn ich seine Äußerungen richtig interpretiere. Für mich ist die Entwicklung Berlins nur abtörnend. Die kleinen „Biotope“ in den Kriegslücken, in denen sich vor der Grenzöffnung vieles lebens- und liebenswerte – in West wie in Ost – entwickelt hatte, mussten der Bauwut von Großspekulanten weichen, die dort in vielen Fällen Schwarzgeld gewaschen haben und öffentliche Gelder, aufgebracht von uns Steuerzahlern, „privatisiert“ haben. Und dabei großenteils abstoßende Immobilien schufen, die sich keiner zu mieten oder kaufen leisten kann – daher sie viel Leerstand produziert haben. Aber so hat jeder einen anderen Blick auf die Dinge.

Für mich viel interessanter sind die Erzählungen unseres Besuchers aus Togo über sein Leben und seine Projekte dort am Äquator. Wieder so eine Situation: „Wenn ich jetzt nicht schon 70 wäre, sondern irgendwas in der 30-igern …“ Aber das Gefühl hatten Heidi und ich ja auch schon 2014 in Albanien. Da wir aber auf ein erfülltes und zufriedenes Leben zurückblicken können, was uns fast alles gegeben hat was uns erträumt haben und Freude bereitete, ist das eben so und ich kann einfach mit Genuss zuhören, wenn jemand mit soviel Herzblut seine Dinge vorantreibt und das auch noch mit Spaß und Erfolg.

Sein „outing“, dass er bei RTL demnächst bei „Bauer sucht Frau“ auftreten wird, kann ich teilweise ja noch verstehen, aber so richtig dann doch nicht. Aber immerhin haben die wohl unsere Pizza bezahlt.

Los geht es mit der Tram, dann mit der S-Bahn auf dem Stadtring/Ringlinie, mit dem Doppeldeckerbus über den Kudamm, ins KDW (da passe ich und bleibe draußen schaue zu wie die degenerierten Schönen und Reichen sich mit Limousinen vorfahren lassen um nach einiger Zeit mit einem kleinen Papiertütchen voll mit irgend einem Duftwässerchen, Schmuckdöschen, Schlüpfer oder sonstigem unnützen Kram wieder heraus kommen und genervt auf ihren privaten Fahrservice warten), dann noch mit der Buslinie 100 noch einige restliche Sehenswürdigkeiten – unter anderem das Regierungsviertel – Schloss Bellevue abgeklappert und dann über die Prachtallee der DDRUnter den Linden“ vom Brandenburger Tor wieder bis zum Alex.

So langsam bricht die Dämmerung herein, aber in unserer Gruppe, sie ist mittlerweile auf drei geschrumpft, besteht noch der Wunsch nach Prenzlauer Berg und Kreuzberg.

Auch das schaffen wir noch. Im Prenzelberg möchte Philipp noch ein Fitnessstudio besuchen, welches, wenn ich es richtig verstanden habe, mal aufgebaut und geleitet hat. Und wie der Zufall es will, trifft er hier sogar noch ehemalige Kollegen. In Kreuzberg ist es dann aber schon dunkel und mein Aufnahmevermögen ist auch erschöpft. Wir passieren noch die Bergmannstraße. Wenn meine „Mitreisenden“ mich nicht drauf hingewiesen hätten, ich hätte diese Straße nicht wieder erkannt. Hier lasse ich mich zu folgendem Kommentar hinreißen: „Und da wird uns immer erzählt, dass es dem Volk schlecht gehe“ Hier – wie übrigens auch bei unserem Stopp am KDW – kann ich davon nichts merken. Nur Cafes, Bars, Restaurantes und Modeaccessoires. So kämpfe ich mich mit der U8 nach Hause. Abendessen fällt heute aus. Frühstück und die Pizzen sind mehr als genug. Auch wenn wir vier oder fünf davon an Obdachlose und Kinder verschenkt haben.

2023-11-12 – Zum Brunch ins Hof Bräu

Heute geht es schon um 10:00 Uhr los. Es ist zum bayrischen Brunch ins Hof Bräu am Alex geladen. Ohne Frühstück mit einem etwas derangierten Magen komme ich eine halbe Stunde zu spät. Um unseren Gastgeber sind circa zehn seiner Freunde und Freundinnen versammelt und schon fleißig am mümmeln. Da es wieder ein neuer Personenkreis ist, hat auch hier Philipp viel zu erzählen. Zwischendurch freut er sich über meine Mitbringsel. Denn wir wollen ja nicht ganz vergessen, dass er an diesen Tagen verspätet seinen Geburtstag feiert. Und er hatte sich nützliche Dinge für sein Perma-Togo Projekt gewünscht: Arbeitshandschuhe und Saatgut. Ergänzt mit einer Flasche Wein ist das ein Körbchen voll geworden. Bleibt nur zu hoffen, dass er den ganzen Kram auch im Flieger zurück mitbekommt.

Gegen 14:00 Uhr ist das Geburtstagskind nach seinem vierten Teller dann auch satt  und es geht ans Abschiednehmen. Noch einmal drücken und die Hoffnung, dass dieses Treffen nicht das letzte war.

Wie ich auf der WoMo-Oase ankomme dämmert es schon wieder. Ich dackele noch einmal die Badstraße hinunter an den ganzen ausländischen Läden, Kaffees und Restaurants vorbei mit anschließender Stippvisite auf den Flakturm Humboldthain gegenüber von meinem momentanen zuhause.
Heute brauche ich nicht lange zu lesen, und ich bin im Reich der Träume.

2023-11-13 – So langsam auf den Rückweg – Genthin

Für die Rückfahrt habe ich mir noch ein Zwischenziel rausgesucht: Entweder Genthin oder das Schiffshebewerk bei Magdeburg an der Elbe. Da Letzteres von mir und Heidi schon vor längerer Zeit besucht wurde, bleibe ich dann auf dem Stellplatz in Genthin hängen. Direkt am Elbe-Havel-Kanal. Zwischen Wasserlinie und Gewerbegebiet, welches aber größtenteils verwaist daliegt. Stromauf und -ab reihen sich Industriekajen an Sportboot Marinas.

Noch lässt der angesagte Regen auf sich warten. Daher leiste ich mir noch einen Spaziergang am Kanal und etwas in die Stadt hinein.

Am Wasser entlang sind mit EU-Kohle gefördert Wander- und Radwege angelegt. Scheinbar war aber die Intension der Stadt hauptsächlich die Subventionen abzugreifen und nicht unbedingt was Sinnvolles zu schaffen. Aufwendig erstellte Uferwege enden im Nichts oder an einer Brücke, die nach wenigen Jahren schon wegen baufällig gesperrt ist. Bei der Fußgängerbrücke über den Kanal ist auf einer Uferseite aufwendig eine zweite Rampe angebaut worden, die direkt bündig am Zaun eines Industriegeländes endet.

Im Ort selber – von Städtchen kann man eigentlich nicht sprechen – herrscht vorwiegend Leerstand. Läden wie Bäckereien und Metzger finde ich hier nicht mehr. An verwitterten Beschriftungen am Mauerwerk der Gebäude kann ich nur erahnen, dass es solche hier einmal gab. Jetzt konzentriert sich der Lebensmitteleinzelhandel – also die Supermärkte – an der Hauptdurchgangsstraße: Aldi, Lidl, Netto, und ähnliche. Auch Kik mit seinen Billigstklamotten darf nicht fehlen. Auch die Automatenpaketstationen von Amazon sind auf einem der Supermarktparkplätze präsent.

So kehre ich an den Kanal zurück und genieße bis zum Einbruch der Dunkelheit das Vorbeituckern der Fracht- und Hotelschiffe.

Dann schreibe ich diese Texte damit ich zuhause dann nur noch die Bilder dazu packen und das Ganze für euch hochladen muss.

Nachtrag:

Und nun kommts: In der Nacht schlafe ich sauschlecht. Die Anzeichen habe ich schon tagsüber verspürt. Eine Erkältung kündigt sich an.

2023-11-14 – Nach Hause zum Essen – Wir haben Besuch

Nach der unruhigen Nacht mache ich mich mächtig „verschnupft“ schon ab 7:45 Uhr auf den Heimweg. Mir ist heiß, ich habe Kopfschmerzen, Husten und Schluckbeschwerden. So kämpfe ich mich über die B107, B188 und B214 in Richtung Heimat. Im Vorort von Nienburg/Weser kaufe ich mir zwei Corona Tests.

Auf unserem Hof Schwarzes Moor angekommen halte ich mir erst einmal meine völlig überraschte Heidi vom Leib und mache einen Test. Und Mist, er ist tatsächlich positiv.

Also beziehe ich „Quarantänestation“ in Big Blue. Gerade in diesem Moment kommt ein neuer Gast für den Schäferwagen an. Die junge Frau ist im ersten Moment etwas – sagen wir mal – überrascht von der Situation, findet sich aber schnell zurecht. Da ich selbst mich in Big Blue zurück ziehe dürfte das auch alles kein erhebliche Problem sein und werden. Und das Essen mit Eiki und Günter findet dann ohne mich statt.

Mir geht es den Umständen entsprechend gut. Ich kann allerdings keinen Vergleich zu „normalen“ Erkältungen oder grippalen Infekten herstellen, da ich seit mindestens 20 Jahren so etwas nicht mehr gehabt habe.

Nach 14 Tagen bin ich wieder „negativ“. Aber geschwächt und Husten hat sich festgesetzt. Also – es kann noch dauern. Aber für diese Bewegungsfahrt ist hier erst einmal Schluss!

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