Gleich nach dem Frühstück und dem Duschen bei Altin und Christina machen wir uns auf den Weg. Das Valbonëstal haben wir von unserem Plan gestrichen. Denn es wäre doch ein recht langer Weg mit zumindest am Ende schwierigen Straßen. Und für uns eine Sackgasse. Wir müssten die komplette Strecke wieder zurück fahren. So haben wir uns für die Seen Liqeni i Shkopet und Ulzës entschieden.

Auf dem Weg dahin fahren wir von der Hauptstraße ab und durchfahren Lac. Natürlich wieder keine Wegweiser, dafür Markt und Busbahnhof auf der Hauptstraße. Wie sooft. Aber immer wieder anders und neu. Durch Zufall finden wir auf Anhieb die richtige Ausfahrt und durchqueren wieder mal eine spektakuläre Industriebrache. (Ich glaube ich muss mal eine Tour machen durch die blühenden Landschaften der DDR ‑ Originalzitat Helmut Kohl ‑ und den restlichen Industriebrachen des ehemaligen Ostblocks.)
Als wir von der neuen Hauptstraße nach Kukës in das Tal des Liqeni i Matit einbiegen finden wir ein spektakuläres Tal vor. Dieses Mal reicht Wald bis an die Ufer. Ganz im Unterschied zu den meisten anderen Seen, die wir besucht haben.
Wir durchfahren zwei Tunnel, grob aus dem Fels gehauen und unbeleuchtet. Immer ein Abenteuer für Alkoven und Dach. Aber es passt, auch wenn man nichts sieht.
Zu unserer Enttäuschung jedoch ist es am oberen Teil des Shkopelit für uns unmöglich ans Wasser zu gelangen. Ein Paradies für Offroader, die es nicht zu hart mögen.
Am Liqeni i Ulzës finden wir oberhalb der Staumauer ein kleines Restorant mit einer schönen Standfläche direkt am Wasser – hier könnte es gehen. Wenn nicht 50 Meter davor über die Straße ein Kabel und eine Wasserleitung in der Höhe von 3,40 Meter hängen würde. Und da das Kabel einen recht schlecht isolierten Eindruck macht, verzichten wir auf Versuche es anzuheben.
So machen wir uns auf den Weg zurück. Wir hatten bei der Herfahrt ganz unten am Beginn des Tales ein Restorant mit Zugang zum Fluss gesehen.
Aber direkt vor der Einfahrt des, von oben gesehen, ersten Tunnels liegt das kleine Bar & Restaurant Liqeni direkt am Wasser und der Parkplatz sieht recht einladend aus. Wir biegen auf das Grundstück ein und werden sofort vom Besitzer auf hinteren Teil seines Grundstückes weitergeleitet. Den haben wir von der Straße gar nicht einsehen können. Einfach genial, direkt am Wasser. Und Bäume. Rechtes Hinterrad auf einen Keil fahren, Motor aus, Tür auf, Treppen raus, Badehose an und ab ins Wasser. Für einen Gebirgssee eigentlich viel zu warm. Aber endlich wieder Süßwasser im „Pool“. Für uns alle drei eine wohlverdiente Erfrischung!
Dann schnappe ich mein Laptop und setze mich an einen der von Bäumen beschatteten Tische am Restaurant. Und bestelle mir ein Bier. Endlich wieder gezapftes Tirana. Kalt und im Gebinde ½ Liter.
So ausgestattet gehen mir die letzten drei Tage recht locker von der Hand. Der Besitzer und seine beiden Helfer (alles eine Familie wie ich morgen erfahren werde) versuchen mir auf ihre Art das Leben noch angenehmer zu gestalten. Sie bieten mir Bergwanderungen an. Wenn die wüssten. Ich will hier Schwimmen und in der Sonne liegen. Sie haben auch ein Motorboot, mit dem sie uns auf dem See rumfahren würden. Das wäre ja noch was. Aber nicht heute!
Heute schreibe ich lieber und beobachte das 1000-ste Hochzeitspaar bei Filmaufnahmen. Das ist hier wohl so. Wenn man heiratet wird ein Filmteam geordert, dass die gesamte Hochzeit filmt und zusätzlich wird tagelang das Hochzeitspaar zu gestellten Posen in schöner Landschaft genötigt. Oder machen die das freiwillig? Unvorstellbar. In voller „Kluft“ bei diesen Temperaturen. Aber wo die Liebe hinfällt!
Heidi kommt vorbei. Ich habe gerade das zweite Tirana bestellt. Glücklicherweise hat der Kellner das leere Glas mitgenommen. So kann ich Heidi glaubhaft versichern, dass ich immer noch beim ersten bin. Es ist jetzt 17:30 Uhr.
Da es hier zwar Handyempfang vom feinsten aber kein WiFi gibt, ist Urlaub. Heidi braucht keine E-Mails zu kontrollieren und beantworten.
Heidi macht mit Lara noch einen Spaziergang auf einem Trampelpfad am Ufer entlang. Als sie zurückkommt ist auch mein Akku leer und wir verabschieden uns für kurze Zeit von den Restorantleuten und schwimmen eine Runde.
Danach, es ist bereits 19:00 Uhr, geht es zurück ins Restaurant. Ziegenlamm, (Fisch ist leider aus, da der See in den letzten Jahren ‑ teilweise mit Dynamit ‑ überfischt wurde und jetzt nahezu leer ist) Salat, albanischer Joghurt und Brot. Dieses Mal auch mit Leber. Lecker! Hier unter den Bäumen mit Blick auf das 10 Meter entfernte Wasser, das immer noch posierende Hochzeitspaar und das Gemecker der noch lebenden Ziegen an beiden Ufern des Sees. Was wollen wir mehr?
Lara bekommt neben den Knochen von unserem Teller auch noch die Knochen aus der Küche. Die eines ganzen Tages. Und sie haut rein, als ob sie bis heute noch keinen Happen von uns in Albanien bekommen hätte. Auf dem Rückweg findet sie dann noch eine Tonne, in dem die Leute hier eingeweichtes Brot für die Enten lagern. Ihr Kopf passt da gerade so rein. Und bis wir es gemerkt haben, hat sie die Tonne halb leer gefressen. Wir überlegen schon, ob sie heute draußen schlafen muss. Aber wir kennen ja unseren Hund. Fürs Schlafen in unserer Nähe würde sie eher platzen, als uns wecken zu müssen, weil sie raus muss.
So sitzen wir noch lange neben Big Blue und beobachten den Sternenhimmel zwischen den Bergmassiven. Und warten auf Sternschnuppen. Vergeblich. Einer von den Restorantmenschen kommt noch vorbei und macht hier bei uns eine Laterne an. Das soll wohl so etwas wie Sicherheit vermitteln. Oder Luxus. Da wir aber keine Angst haben und diesen Luxus nicht brauchen, schleiche ich mich später zu der Laterne und mache sie wieder aus. Wir genießen die Dunkelheit und die Stille. Endlich nach dem Trubel in Mali i Robit. Da fällt es uns auch gar nicht auf, dass auf der Straße doch auch im Dunkeln unerwartet Verkehr stattfindet. Trotzdem schlafen wir selig ein und werden erst sehr spät am nächsten Morgen aufwachen.